Tierdörfli Olten
Erfahre in dieser Multimedia-Reportage mehr über den Alltag im Tierdörfli Olten. Lerne einige der tierischen Bewohner kennen. Blicke hinter die Kulissen des Tierheims und erfahre was für verschiedene Personen dort arbeiten und was sie in ihrer Arbeit mit den Tieren alles erleben.
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Das Herz vom Tierdörfli
Das Tierdörfli ist heute vielen Schweizern und Schweizerinnen ein Begriff. Doch dieser Umstand kommt nicht von ungefähr: Inhaberin Susanne Klein engagiert sich schon seit vielen Jahren mit viel Herzblut für das Wohl der Tiere. „Schon als kleines Mädchen schlug mein Herz für die Tiere." 1970 gründete sie mit Freunden den „Tierschutzverein Olten und Umgebung". Nachdem sie 1975 ein altes Bauernhaus mietete, um dort die heimatlosen Tiere unterzubringen, erfüllte sich Klein daraufhin einen langjährigen Traum: Vor 22 Jahren öffnete ihr „Tierdörfli" seine Türen und bietet ihren tierischen Freunde seither einen sicheren Zufluchtsort.
Nebst den klassischen Haustieren, werden unter anderem auch Ziegen aufgenommen.
Insgesamt beschäftigt das Tierdörfli 20 festangestellte Tierpfleger und vier Hundetrainerinnen, welche für die Betreuung der Tiere und den Unterhalt der Anlage zuständig sind. Denn entgegen der Vorstellung vieler geht es bei der Arbeit mit Tieren (leider) nicht nur um Schmuseeinheiten. Einer der wohl wichtigsten Aufgabenbereiche bildet die geistige wie auch körperliche Auslastung der Tiere – insbesondre bei den Vierbeinern.
Hof zum Tierdörfli
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Jährlich werden zwischen 1000 und 1500 Tiere im Tierdörfli Olten abgegeben. Einer davon ist der Rüde Bruce. „Bruce ist ein toller Hund - lebhaft und herzlich", schwärmt Klein. Der junge Hund wurde aus familiären Gründen im Heim abgegeben. Dabei ergeht es ihm wie vielen anderen Tieren auch: Unüberlegte Käufe, Todesfälle, unverhoffte Notsituationen oder hohes Alter. Die Ursachen variieren. Doch Klein ist zuversichtlich: „Ich gehe stark davon aus, dass Bruce mit seiner liebenswürdigen Art schon bald ein neues Zuhause findet."
Der herzliche und verspielte Bruce
Beim Ein- und Austritt im Tierdörfli gelten klare Regeln. Während Leute bei der Abgabe ihres Tieres eine Verzichtserklärung unterschreiben müssen, werden Besitzer in Spe einem umfassenden Eignungscheck unterzogen. Hierbei werden die Lebenssituationen Betroffener genauer unter die Lupe genommen: Ist tagsüber jemand zu Hause, oder ist das Tier ständig alleine? Darf der bzw. die Interessierte gemäss ihrer Wohnsituation überhaupt Tiere haben? Gehören Kinder zum Haushalt und kommt das Tier mit denen überhaupt klar? Für Klein ist diese Massnahme ein Muss: „Würde die Prüfung nicht so sorgfältig ausfallen, wären viele der von uns abgegebenen Tiere bereits nach kurzer Zeit wieder bei uns im Heim. Vor diesem unnötigen Stress und allfälliger Vernachlässigung durch neue Besitzer wollen wir sie schützen."
Hier werden die abgegebenen Katzen in Katzenzimmern mit Auslauf untergebracht, während sie auf ihre Weitervermittlung warten.
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Die Hundeflüsterin
Yvonne Thönen ist beruflich als Hundetrainerin tätig und führt dabei ihre eigene Hundeschule „Cleverdog". „Hunde begleiten mich schon mein ganzes Leben. Mein Grossvater hatte schon Schäferhunde und war als Nachtwächter tätig. Die Tierliebe scheint also in den Genen zu liegen", schmunzelt sie.

Seit einigen Jahren ist sie mindestens zwei Mal in der Woche im Tierdörfli. Dafür war jedoch eher ein Zufall verantwortlich: „Susanne Klein und ich engagierten uns damals für den gleichen Verein. Als die Anfrage des Tierdörflis kam, war ich gerade dabei die obligatorischen Sachkunde Kurse aufzubauen." Jetzt, sieben Jahre später, gefalle ihr die Arbeit im Tierheim immer noch genauso gut wie am ersten Tag.

„In erster Linie ist es mein Job dafür zu sorgen, dass sich die Hunde wohlfühlen und sich dadurch gut im Heim einleben können." Ein ebenso wichtiger Faktor sei die Vermittlung einer Grunderziehung. Doch die verschiedenen Aufgaben zu verallgemeinern sei schwierig: „Im Endeffekt ist jeder Hund ein Individuum und muss somit auch anders trainiert werden." Mit einigen Hunden sei es bspw. vor allem darum gegangen Blickkontakt aufzubauen, während sie mit wieder anderen sogar Fährtentraining absolvierte.
Yvonne Thönen führt den Hund Bruce spazieren.
Das Ziel von Frau Thönen ist es insbesondere die Hunde auf ein neues Zuhause vorzubereiten, welche in irgendeiner Weise ein Defizit aufweisen. Dafür müsse aber in einem ersten Schritt eine Vertrauensbasis aufgebaut werden: „Um im Rahmen der Trainingseinheiten erfolgreich zu sein, ist das nötige Vertrauen fundamental."

Insgesamt betrachtet wären gemäss der Trainerin kaum grosse Unterschiede zwischen Heimhunden und Hunden mit Besitzern erkennbar. „Allgemein lässt sich sagen, dass Heimhunde besonders zu Beginn ihres Eintritts äusserst nervös sind." Die übliche erste Reaktion ist in der Regel eine Art Schock, denn die Hunde realisierten die grosse Veränderung in ihrem Leben sehr wohl. „Oft bin ich bei solchen Übergaben dabei und wende mich daraufhin gleich dem Hund zu. Dies soll ihm signalisieren, dass er nicht alleine ist, was die Vierbeiner im Übrigen auch sehr schätzen." Nach ca. drei Wochen hätten sich die meisten mit der neuen Situation abgefunden.

Hund Bruce im Training
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Thönen selbst kommt vor allem bei den etwas anspruchsvolleren Vierbeinern ins Spiel. „Gerade Hunde, die sehr scheu sind, haben meine Trainingseinheiten nötig. Neben solchen Fällen kümmere ich mich jedoch auch um die sogenannten Listenhunden." Letzteres stehe aber eher mit der aktuellen Gesetzeslage in Verbindung. Zu den Listenhunden gehören Rassen wie die der Pitbulls, Bull Terrier oder auch Rottwyler. Thönen empfindet diese Liste als willkürlich: „Logischerweise können solch Hundearten gravierendere Verletzungen als bspw. ein Zwergpudel verursachen. Ein höheres Aggressionspotenzial konnte bei betroffenen Hunden jedoch bis heute nicht wissenschaftlich belegt werde."

Sobald die einzelnen Hunde die Trainingseinheiten erfolgreich absolviert haben, bildet die Vermittlung folglich den nächsten Schritt.
„Es ist natürlich schwierig sich emotional zu distanzieren, wenn ein Hund vermittelt wird, mit dem man über Wochen oder sogar Monate eine so enge Beziehung aufgebaut hat. Meine Motivation schöpfe ich trotz allem stets aus der Dankbarkeit der Hunde. Denn von den Hunden bekommt man mindestens gleich viel zurück, wie man gibt. Das lässt sich nicht in Worte fassen."
— Yvonne Thönen
Nach Trainigsende bleibt auch immer genug Zeit für kleine Streicheleinheiten.
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Die Fachfrau fürs Tierwohl
Die Tierärztin ist frisch ein Teil des Tierdörfli-Teams und arbeitet sonst in der Tierklinik Neuhausen in Solothurn. „Das neue Amt und die damit verbundene Vielfalt an Tieren gefällt mir sehr gut. Es ist eine schöne, sowie befriedigende Aufgabe auch den heimatlosen Tieren zu helfen."

Bei der Hündin Tina hat sie soeben eine gewöhnliche Eintrittsuntersuchung durchgeführt, die bei einem Heimeintritt zum Standardprogramm gehört. Hierbei werden die Tiere klinisch untersucht und auf gesundheitliche Leiden geprüft: „Wir untersuchen, ob im Kopf-, Augen-, Ohren- und Nasenbereich alles in Ordnung ist. Unsere Tina wies bspw. auch eine grosse Menge an Zahnstein auf, was zu einem sehr häufigen Problem gehört." Die Hündin bringe leider jedoch auch eine Krebsvorgeschichte mit sich. Sie litt an einem sogenannten „Mamatumor" bzw. Brustkrebs, der jedoch bereits rausoperiert wurde. Seit Kurzem habe sich aber auch ein Knoten zwischen den Schulterblättern bemerkbar gemacht, der unbedingt ebenfalls entfernt werden müsse.
Tierärztliche Untersuchung
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Genauso gehören zur Routineuntersuchung ein Check der Schleimhäute und deren Kreislauf sowie die Kontrolle der Herzfunktion. Daneben wird die Temperatur gemessen, um festzustellen, ob eine erhöhte Temperatur und damit verbundene Krankheiten vorhanden sind. Sofern eine Anomalie auftauchen würde, wäre für eine weitere Untersuchung eine Blutabnahme nötig. Diese Tortur bleibt Tina jedoch erspart.

Ein genauso entscheidender Faktor sei der Impfstatus der Tiere: „Den überprüfen wir mithilfe des Impfbüchleins. Sofern alle Impfungen ordnungsgemäss gemacht wurden, sollten hier keine Probleme auftauchen. Fehlen sie jedoch, muss das Tiere im Nachhinein grundimmunisiert werden."
Alle Gesundheitsdaten der Tiere werden genau festgehalten, damit die zukünftigen Besitzer genau über den Zustand des Tiers informiert sind.
Meistens sind Tiere, die im Heim abgegeben werden in gutem Zustand – leider ist das aber auch nicht immer der Fall. „Teilweise empfinde ich es als sehr traurig mit vorbelasteten Tierschicksalen wie Krankheiten oder Vernachlässigung umzugehen", gibt die Ärztin zu. Doch der Gedanke daran, dass sie es im Heim viel schöner hätten und zudem eine hervorragende Versorgungsgrundlage bestehe, stellt sie stets wieder auf. Sie witzelt: „Ausserdem sind Tiere so ziemlich die dankbarste Kundschaft überhaupt."
Die langen Haare in Augennähe werden entfernt, damit diese den Hund nicht stören.
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Die Vertrauensperson der Tiere
Isabelle Papenbrock ist Tierpflegerin im dritten Lehrjahr und erlebt die Reaktionen der Tiere täglich mit. Diese fallen insbesondere beim Heimeintritt sehr individuell aus.

Katzen an sich seien sehr selbstständige Tiere: „Katzen werden hier abgegeben, durchgecheckt und dann auf ihre Verträglichkeit mit anderen Katzen geprüft. Sobald einmal geklärt ist, wer im Zimmer der Chef ist, gewöhnen sie sich in der Regel schnell an die neue Situation." Ähnlich sei es mit Kleintieren wie Kaninchen und Meerschweinchen. "Kleintiere beginnen direkt damit die neue Umgebung zu erkunden", erzählt Papenbrock.
Bei Hunden hingegen spiele allem voran die Vorgeschichte eine entscheidende Rolle. „Hunde, die zuvor nur wenig Kontakt mit anderen Tieren hatten, sind oft sehr schüchtern und zurückhaltend", erläutert sie. Allgemein sei die grosse Veränderung im ersten Moment jedoch für alle Hunde erschlagend: „Die Hunde werden mit vielen ihnen neuen Sinneseindrücken konfrontiert. Neue Gerüche, neue Geräusche, neue Geschmäcker - da kann es schon mal vorkommen, dass einige von ihnen bei den Pflegerinnen Halt suchen und dadurch sehr aufdringlich werden." Dies lege sich jedoch meist schon nach wenigen Tagen. In jedem Fall ist es gemäss Papenbrock wichtig dem Tier genügend Zeit zu geben und in den darauffolgenden Tagen abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Erst dann könnten weiterführende Massnahmen eingeleitet werden.
Haben sich die Tiere erst mal eingelebt, geht es darum sie auf eine spätere Vermittlung vorzubereiten. Oftmals werden Tiere nicht direkt weitervermittelt, weil viele von ihnen beim Eintritt entweder sehr scheu oder genau das Gegenteil bzw. speziell aufdringlich seien. Eine weitere Komponente hierbei sind bspw. auch noch nicht abgeschlossene Krankheitsgeschichten. Die Pflegerin begründet dies so: „Wir möchten nicht das Risiko eingehen, dass die Tiere schon innert kürzester Zeit nach der Vermittlung wieder bei uns landen. Wir machen uns erst auf die Suche nach einem neuen Zuhause, wenn wir der Meinung sind, dass das Tier so weit ist."

Klein, Pfleger und Trainerinnen sind sich einig: Die Arbeit im Heim ist nicht immer ein Zuckerschlecken. Die Arbeitstage sind lang und einige Tierschicksale machen betroffen. Dennoch erfüllt ihr passioniertes Engagement die Tierfreunde mit einer tiefen Befriedigung. Die Vier- bzw. Zweibeiner aufzunehmen, teilweise aufzupeppeln und ihnen ein Zuhause zu schenken motiviert sie Tag für Tag.



"Das Tierdörfli ist wie eine grosse Familie und Familie geht schliesslich über alles."
— Susanne Klein
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